„Doktor Schiwago“: Omar Sharif, der einsamste Mann des Jetsets - WELT (2024)

Kultur „Doktor Schiwago“

| Lesedauer: 4 Minuten

Von Hanns-Georg Rodek

Filmredakteur

Der Schauspieler Omar Sharif war der Beduinenfürst in „Lawrence von Arabien“ und Doktor Schiwago. Vor allem jedoch pendelte er mühelos zwischen westlicher und islamischer Welt. Heute wäre er 86 Jahre alt geworden.

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Dieses Porträt des Schauspielers Omar Sharif von WELT-Kino-Experte Hanns-Georg Rodek erschien zuerst am 10. Juli 2015.

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Es hat wahrscheinlich nie einen Filmstar gegeben, der zu Beginn seiner Weltkarriere einen grandioseren Auftritt gehabt hätte: In „Lawrence von Arabien“ reitet Omar Sharif als Beduinenführer Sherif Ali minutenlang auf die Kamera zu, zuerst eine kleine Figur am Wüstenhorizont, immer größer werdend und schließlich an einem Brunnen auf Lawrence treffend. Dann erschießt er Lawrence’ Führer: Der gehörte einem anderen Stamm an und durfte daher aus diesem Brunnen nicht trinken.

Das war das erste Bild, das der Westen von Omar Sharif sah, obwohl er in Ägypten vorher schon 20 Filme gedreht hatte: ein impulsiver Wilder, aber ein nobler, einer mit Grundsätzen, wenn auch fremden, ein Muslim, aber ein dem westlichen Eindringling überlegener. Dabei war Sharif ein geborener Christ, ein Libanese, der zum Islam übergetreten war, um Faten Hamama heiraten zu können, den größten ägyptischen Star; zusammen waren sie das große romantische Filmpaar im ägyptischen Kino der Fünfziger, das damals eines der größten der Welt war.

Der einsamste Mann des Jetsets

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Nach „Lawrence“ geschah etwas Merkwürdiges. Aus dem Araber wurde im westlichen Film der internationale Schnurrbartträger: ein mongolischer Eroberer in „Dschingis Khan“, der russische „Doktor Schiwago“, ein deutscher Offizier in „Die Nacht der Generale“, der jüdische Ehemann von Barbra Streisand in „Funny Girl“, ein spanischer Priester in „Der gelbe Rolls-Royce“. Auch Rudolph Valentino, den Latin Lover par excellence, sollte er spielen, aber das Projekt kam nicht zustande.

„Doktor Schiwago“: Omar Sharif, der einsamste Mann des Jetsets - WELT (2)

Sharif war der Sohn eines wohlhabenden Holzhändlers, was sich änderte, als General Nassers Verstaatlichungen begannen. Reisebeschränkungen wurden eingeführt, und so entschied sich Sharif, in Europa zu bleiben, was ihn die Ehe mit der Liebe seines Lebens kostete. So wurde aus ihm ein Mitglied des internationalen Jetsets, ein einsamer Mann, der sein Leben so beschrieb: „Wenn du wieder einmal an einem Ort ankommst, wo du keinen kennst, dann ist der einzige Ort, an den du als Prominenter gehen kannst, das Kasino. Dort isst du alleine Dinner, und dann spielst du ein bisschen, um deinem Leben ein wenig Aufregung zu geben und die Langeweile des Alleinseins zu bekämpfen. Das ist alles.“

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Sharif war einer der größten Frauenschwärme der Sechziger- und Siebzigerjahre, und anders als andere Schauspieler aus der Dritten Welt hatte er nie Mühe, Rollen zu finden. Und es waren sogar Hauptrollen, nicht die Bediensteten oder Schurken, die für Araber sonst vorgesehen waren. Bei „Lawrence“ war er noch übers Ohr gehauen worden; der Produzent Sam Spiegel überredete ihn zu einem Sieben-Filme-Vertrag mit einer garantierten Gage von 15.000 Dollar pro Film, was nach „Lawrence“ ein Witz für einen neuen Weltstar war. Sein amerikanischer Anwalt wollte ihn zu einer Klage überreden, aber Sharif winkte ab: „Ich möchte nicht, dass alle denken, ich wäre nur hinter dem Geld her.“

Den Streit der Religionen hat er nie verstanden

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Doch Sharif hatte für solch eine Haltung zu viele Leidenschaften: Bridge – er war ein Weltklassespieler –, Pferde, Frauen, das Spiel. Er war, wie er es einmal formulierte, „immer einen Film hinter meinen Schulden“. Auch deshalb hat er weit über 100 Filme gedreht (der letzte ist noch gar nicht in den Kinos), aber seit die Siebziger zu Ende waren, war das meiste davon „Müll“ – und das war seine eigene Bezeichnung dafür. Er machte sich zunehmend rar, seine schönste späte Rolle war die des türkischen Ladenbesitzers in „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, der in Paris zum Ersatzvater eines jüdischen Teenagers wird.

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Es war eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, die Rückkehr eines Mannes von makelloser Eleganz, der George W. Bush vor dessen Irak-Invasion „Sie werden dort untergehen“ prophezeit hatte, und der sich doch nie zuerst als Araber, sondern als internationaler Lebemann sah. Den Streit der Religionen hat er nie verstanden: „Warum sollte Gott, der Gerechte, jemanden in die Welt setzen, der nicht ins Paradies darf, weil er der falschen Religion angehört? Es ist absurd.“

Am 10. Juli 2015 starb Omar Sharif 83-jährig in Kairo.

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